Millionen von Analphabeten in Deutschland – Vielfalt an Strategien gefragt

Professor Dr. Anke Grotlüschen stellte die nationale Studie "leo" (Level One 2011) auf der Tagung der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung am 20 Januar 2012 in Hannover vor.

Vier Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland sind funktionale Analphabeten. Das sind 7,5 Millionen Personen. Weitere 25 Prozent können nur fehlerhaft lesen und schreiben. In Zahlen: 13 Millionen Bundesbürger. Das ist eines der Ergebnisse der Studie "leo" - Level One 2011. Professor Dr. Anke Grotlüschen stellte die nationale Studie auf der Tagung der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung am 20.01.2012 in Hannover vor.

Mehr als die Hälfte der Analphabeten gehen einer Erwerbstätigkeit nach: als Bauhilfsarbeiter, Maschinenführer, Hausmeister. Es sind mehr ältere Personen betroffen. Und mehr Männer. Besonders aber trifft es Menschen, die eine andere Sprache als Muttersprache haben.

Wer nicht lesen und schreiben kann, kann am gesellschaftlichen Leben in vielfacher Hinsicht nicht teilnehmen: Die lokalen Ereignisse werden schriftlich angekündigt, der Automat der öffentlichen Verkehrsbetriebe setzt Lesekenntnise voraus, die Information beim/bei der Arzt/Ärztin sind klein und kompliziert geschrieben. Wer ständig Angst hat, dass diese Schwäche entdeckt werden könnte, ist besonders gefährdet, auf Dauer krank zu werden.

In England hat die Regierung zusätzliche Mittel zur Alphabetisierung zur Verfügung gestellt. Die Folge: Die Quote der Menschen, die nicht lesen und schreiben können, hat sich in fünf Jahren halbiert.

Die Besucher/-innen der Tagung waren sich einig: Das müsste in Deutschland auch zu schaffen sein. Im Auditorium waren verschiedene Volkshochschulen und das Bildungswerk der niedersächsischen Wirtschaft vertreten. Sie bieten mit hohem Standard Kurse zur Alphabetisierung an: In Hannover, Neustadt a. Rbge., Peine, Oldenburg. Die Programmverantwortlichen berichteten, dass sie mehr Menschen versorgen könnten: Sie könnten nicht hinreichend Angebote vorhalten, weil ihnen die Mittel fehlten. Einige Einrichtungen führten Wartelisten. Interessierte könnten zum Teil die Kursgebühren nicht bezahlen.

Anke Grotlüschen berichtete, dass in anderen Ländern bereits weitreichende Pläne gedeihen: Zum Beispiel in Schleswig Holstein, wo angedacht wird, doppelt so vielen Menschen die Möglichkeit zu bieten, Lesen und Schreiben zu lernen, indem das Land gezielt die Zuschüsse für die Erwachsenenbildung steigert. So könnte die Anzahl der Plätze in der Erwachsenenbildung verdoppelt werden.

Für das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur stellte Frau Zagidullin dar, dass das Land im Jahr 2012 fünf Grundbildungszentren plane. Sie wird die Botschaft überdenken, dass Landesmittel erhöht werden könnten.

Gertrud Völkening engagiert sich für die verständlichere Formulierung von Texten: Behördenbriefe, Formulare, medizinische Anweisungen, Gebrauchsanleitungen. Die Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung hat von 2009 bis 2011 weit mehr als 300 Personen darin geschult, Leichte Sprache zu benutzen. In einzelnen Werkstätten für behinderte Menschen sind bereits Büros für Leichte Sprache gegründet worden, die schwierige Texte und Verträge in Leichte Sprache übertragen. Frau Völkening ist Geschäftsführerin der „Initiative Leichte Sprache Niedersachsen“, die von der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung Impulse für die Verbreitung und Professionalisierung gibt.

Professor Dr. Grotlüschen begrüßte diese Bewegung sehr und ermutigte dazu, dass Arbeitsmaterialien für Schule und Erwachsenenbildung in Leichte Sprache übersetzt werden. Sie wird die Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung weiterhin unterstützen.

Für 2012 plant die Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung weitere Veranstaltungen zu den Schwerpunkten Alphabetisierung und Leichte Sprache.

Kontakte:

Gertrud Völkening (Leichte Sprache)
0511 300 330-25
voelkening[at]aewb-nds.de

Oksana Janzen (Grundbildung)
0511 300330-38
janzen[at]aewb-nds.de